Sie erreichen die Kanzlei unter:           02921 /    38 272 24

Blog-Layout

Der Lebensraum des Wolfes - und seiner Mitmenschen?

Gregor Hugenroth • 12. Juni 2020

Das EuGH-Urteil C-88/19 zum Wolf, seinem Lebensraum und seinen Grenzen


Der europäische Gerichtshof hat sich mit Urteil vom 11. Juni 2020 in der Rechtssache C – 88/19 (Presseinformation:  https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2020-06/cp200072de.pdf) zum räumlichen Anwendungsbereich des strengen Schutzsystems für bestimmte Tierarten geäußert, das Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (im Folgenden: Habitat-Richtlinie) vorsieht.

Ursprüngliche Ausgangsfrage in diesem Verfahren war, ob die Schutzbestimmungen der Habitat-Richtlinie auch für den Fang von wild lebenden Wölfen am Rand einer Ortschaft oder im Territorium einer Gebietskörperschaft gelten. Eine rumänische Tierschutzvereinigung fing einen Wolf, der sich auf dem Grundstück eines Bewohners eines rumänischen Dorfes außerhalb zweier nahegelegener Schutzgebiete aufhielt, ohne vorherige Genehmigung ein und transportierte diesen ab. Im Rahmen des Transportes entkam der Wolf. Gegen die Tierschützer wurde Strafanzeige wegen verschiedener Delikte im Zusammenhang mit dem Fang und Transport des Wolfes gestellt.

Der Gerichtshof vertritt die Auffassung, dass der Ausdruck „natürliches Verbreitungsgebiet“ im Bezug auf geschützte Tierarten die – wie der Wolf – Lebensräume beanspruchen, mehr umfasst, als den bloßen geographischen Raum, der die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweist, und somit dem geographischen Raum entspricht, in dem sich die betreffende Tierart im Rahmen ihres natürlichen Verhaltens aufhält bzw. ausbreitet.
Hieraus wird gefolgert, dass ein wildlebendes Exemplar einer geschützten Tierart, dass sich in der Nähe oder innerhalb von menschlichen Siedlungsgebiet befindet, dass solche Gebiete durchquert oder sich von Ressourcen ernährt, die der Mensch erzeugt, nicht als ein Tier angesehen werden kann, dass sein „natürliches Verbreitungsgebiet „verlassen hat.
Der Gerichtshof vertritt die Auffassung, es gehe nicht nur darum, die betreffenden Arten an bestimmten Orten zu schützen, die restriktiv definiert seien, sondern eben auch ihnen angehörende Exemplare zu schützen, die in der Natur bzw. in freier Wildbahn leben und damit eine Funktion in natürlichen Ökosystemen erfüllen. Wölfe würden in zahlreichen Regionen der Union in von Menschen beanspruchten Gebieten leben. Die Anthropisierung dieser Räume führe zu neuen Bedingungen. Daher gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass eine Verpflichtung besteht, die geschützten Tierarten streng zu schützen, was für das gesamte „natürliche Verbreitungsgebiet „dieser Arten gelten würde, unabhängig davon, ob sie sich in ihrem gewöhnlichen Lebensraum in Schutzgebieten oder aber in der Nähe menschlicher Niederlassung befinden würden.
Der Gerichtshof betont dabei, dass Konflikte, bei denen die geschützten Tierart mit Menschen oder ihrem Eigentum in Kontakt tritt, durch die Mitgliedstaaten gemäß Art. 16 Abs. 1b und C der Habitat Richtlinie zu lösen sei: Mitgliedstaatlich seien geeignete Maßnahmen zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen in der Tierhaltung oder Maßnahme im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit sowie aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses zu treffen.

Der Gerichtshof bestätigt, dass der Fang und der Transport eines Exemplars einer geschützten Art wie des Wolfes nur im Rahmen einer von der zuständigen nationalen Behörde auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 1 Buchst. b und c der Habitatrichtlinie gewährten Ausnahme, die unter anderem auf die Gründe der öffentlich Sicherheit gestützt ist, erfolgen dürfen. Damit weist er den Mitgliedstaaten die Verantwortung zu, neben der Ausweisung von Schutzgebieten und Lebensräumen eben auch effektive Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausnahmeregelungen im Konfliktfall zu schaffen. 

Diese EuGH-Entscheidung wird künftig für die Bestimmung der Konflikte zwischen Naturnutzern und Einzelexemplaren besonders geschützter Arten in Deutschland von besonderem Interesse sein. Dabei wird sich insbesondere auch die Frage stellen, wie die nationalen Ausnahmeregelungen gerade auch zum Schutze der öffentlichen Sicherheit sinnvoll und effektiv auszugestalten sind. Die teilweise schlicht fruchtlosen Bemühungen zur Entnahme einzelner Problemtiere und die Auswüchse der medialen Befeuerung dieser Gefahrenabwehrmaßnahmen zeigen in aller Deutlichkeit praktische Defizite auf. Gerade große Prädatoren oder Megaherbivoren werden aber nur dann regionale Akzeptanz erfahren, wenn der gesetzgeberische Rahmen nicht nur den strengen Schutz, sondern auch effektive Regulation zumindest möglich macht. 
Ohne ausgestalteten und vollziehbaren (!) Rechtsrahmen wird strenger Schutz allein dem Artenschutz keinen positiven Vorschub leisten, sondern allenfalls unerlaubte Tötungen begünstigen.

Der Gerichtshof der europäischen Union macht auf jeden Fall deutlich, dass guter Wille zum Schutz ohne eine gesetzgeberische Struktur für die Ausnahmen und Konflikte des jeweiligen Mitgliedstaates wohl nicht ausreichend ist.


von Gregor Hugenroth 16. Juni 2024
Mit Entschließung des Bundesrates vom 14.6.2024, Drucksache 263/24 (Beschluss), hat der Bundesrat in seiner 1045. Sitzung am 14. Juni 2024 um die zeitnahe Einleitung weiterer Schritte des Gesetzgebungsverfahrens hinsichtlich der vom Bundesinnenministerium Anfang 2023 angekündigten Novelle des Waffenrechts gebeten. Link: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2024/0201-0300/263-24(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1 Der Bundestag beabsichtigt, weiterreichende Maßnahmen im Umgang mit Waffen und Messern der Öffentlichkeit zu erreichen. Folgende Vorschläge sollen hierfür insbesondere geprüft werden: A. Regelung eines generellen Umgangsverbotes für Springmesser B. Ausweitung des Führensverbots auf Messer mit feststehender Klinge schon ab 6 cm Klingenslänge C. Regelung eines allgemeinen Führensverbotes von Waffen im Sinne des Waffengesetzes insbesondere in Zügen und Fahrzeugen des öffentlichen Personenverkehrs sowie dessen baulich umschlossenen Einrichtungen, soweit die Waffen nicht in einem verschlossenen Behältnis mitgeführt werden. D. Regelung eines generellen Umgangsverbotes von Kampfmessern, Dolchen und ähnlichen Messern Die Ausweitung des für Verbotes des Führens auf Messer mit feststehender Klinge schon ab 6 cm Klingenlänge wird damit begründet, dass auch Messer, mit unter 12 cm Klingenlänge zu tödlichen Verletzungen führen können. Die Aufnahme von Kampfmessern, Dolchen und gleichartigen Messern als verbotene Waffen in Abschnitt 1.4. zu Anlage 2 des Waffengesetzes soll die freie Verkäuflichkeit dieser Messer unterbinden. Von diesen Waffen würde eine erhebliche Gefahr ausgehen. Ausnahmen für Erwerb, Besitz und Führen durch Jäger oder zum Zweck der Berufsausübung könnten indes vorgesehen werden, wenn denn die Nutzung einer solchen Waffe für die Jagd oder die berufliche Tätigkeit notwendig ist. Die Erbringung eines Nachweises zum berechtigten Erwerb könnte dafür etwa durch Vorlage eines Jagdscheins erfolgen oder durch den geeigneten Nachweis der beruflichen Tätigkeit. Meinung: Dem Bundesrat ist vorzuhalten, dass hier in ganz bewusster Missachtung der unmittelbaren Konsequenzen unzweckmäßige Forderungen zur Verschärfung (kein Wortspiel des Verfassers) des Waffenrechts in den Raum geworfen werden. Es ist bemerkenswert, dass man sich dort nach den Erfahrungen aus dem Verbot (zuvor erlaubnisfrei erwerbbarer) großer Magazine mit diesem Ansatz ernstlich eine gesetzliche und behördliche Arbeitserleichterung erhofft. Allein das Aufgabenfeld „Springmesser, Kampfmesser, Dolche und gleichartige Messer“ kann im Falle seiner Umsetzung die zuständigen Waffenbehörden für die nächsten Jahre absehbar mit deren Erfassung/Einordnung in Vollzeit auslasten. Es bleibt dann natürlich abzuwarten, ob die Welt sicherer wird, wenn die bislang schon teilweise sehr gut ausgelasteten Fachbehörden dann sehenden Auges in einen disfunktionalen Überlastungsstatus versetzt werden. Die jüngsten medienrelevanten Straftaten mit Messern liefern jedenfalls keinen Hinweis darauf, dass die dortigen Täter durch ein derartiges Verbot von ihrer Tat abgehalten worden wären. Diese Überlegung zur Auswirkung gilt in ähnlicher Form für die erwartbaren Fragen, Wünsche, Sorgen und Anträge von Jägern, Treibern, Anglern, Pfadfindern, Marktbeschickern, Köchen und Bahnhofsbäckern. Deren Messer mit 7-12 cm Klingenlänge sollen schließlich u.U. voll justiziable Einzelentscheidungen eines noch nicht sauer abgrenzten "berechtigten Interesses" werden. Der Waldkindergartenausflug als waffenrechtliches Risiko wegen der Länge des mitgenommenen Picknic-Materials? Der nichtberuflich betriebene Kuchenstand des städtischen Sportvereins auf dem örtlichen Bauernmarkt: Bald ein No-Go für alle Ehrenamtler oder doch die Vereins-WBK fürs Brotmesser? Die praktischen Erfahrungen mit § 42a WaffG zeigen doch schon jetzt recht eindrucksvoll, wie praktisch unhandlich die Idee der offenen Rechtfertigungsgründe eines „berechtigten Interesses“ bei den unsittlichen Einhandmessern sind. Es wird nicht besser, wenn man die Tatbestandsseite dieser ohnehin schon verfassungsrechtlich fragwürdigen Norm weiter aufbohrt. Die selbe Überlegung gilt für die berühmt-berüchtigten Messerverbotszonen. Ein regional unterschiedliches Patchwork-Waffenrecht ist absehbar nichts anderes als eine überregionale Rechtsunsicherheit für jeden Auswärtigen. Wie derartige Vorschläge den davon betroffenen Wählern munden, bleibt abzuwarten. Ziemlich sicher werden von diesem Vorstoß vor allem jene Parteien profitieren, die sich mit der nötigen Schärfe (wieder 5 € ins Phrasenschwein) gegen eine derartige Regelung positionieren können. Für diesen gedanklichen Ansatz wird es sicherlich von den Betroffenen keine Gummipunkte in Sachen Bürgerfreundlichkeit und Bürokratieabbau geben. Es gibt Gründe dafür, warum Frau Faesers bisheriger Entwurf einer Verschärfung bislang nicht weiter gediehen ist. Mit dem jetzigen Ansatz „viel hilf viel - mehr hilft noch mehr“ wird ein ohnehin unbestritten verbasteltes Gesetz keineswegs effektiver, funktionaler oder handhabungsfreundlicher. Und dieser Umstand scheint schon jetzt den Adressaten deutlich bewusster als einigen Akteuren der Legislative.
von Gregor Hugenroth 21. Dezember 2023
Jägern sind die faktischen Erschwernisse und Beschränkungen im Umgang mit bleihaltiger Munition nicht erst seit REACH ein Begriff. Allerdings hatte man bislang den Eindruck, dass auf EU-Niveau grundlegende faktische Notwendigkeiten und Vorzüge als Argument für die weiteren Nutzung von Blei in Munition wenig bis gar nicht verfingen. Offenbar gibt es jetzt zumindest im Bereich des Vogelschießens und des Schießens mit Traditionswaffen innerhalb der Kommission Bestrebungen, die Auswirkungen einer Beschränkung von Bleimunition im Brauchtums-Schiessen zu berücksichtigen. Demnach teilte die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Dezember 2023 in einem Antwortschreiben gegenüber eine Anfrage von Parlamentariern mit, dass es „unverhältnismäßig wäre, künftige Beschränkungen auf [..] angesprochenen traditionellen Schießsportveranstaltungen in kontrollierter Umgebung oder auf das Schießen mit historischen Waffen anzuwenden.“ Von besonderer Bedeutung für diese Erklärung war dabei nach Einschätzung von Peter Liese persönliches Gespräch, in dem Vertreter der Europäischen Gemeinschaft Historischer Schützen (EGS) den Verantwortlichen der Europäischen Kommission erklärt haben, wie Vogelschießen funktioniert und warum dabei praktisch kein Blei in die Umwelt gelangt. Quelle: Homepage Peter Liese (CDU, Sprecher der EVP im Europäischen Parament im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) https://www.peter-liese.de/12-kurz-notiert/4106-einsatz-hat-sich-gelohnt-schuetzen-koennen-aufatmen
von Gregor Hugenroth 30. Januar 2021
Nachtsichttechnik jetzt auch für NRW-Jäger bei der Wildschweinjagd
Grüne Verbot Waffen Privathaushalt Schusswaffen
von Gregor Hugenroth 2. Juli 2020
Die Partei Bündnis 90 Die Grünen hat am 26. Juni 2020 unter dem Titel „… zu achten und zu schützen …“ ihren Entwurf (*1) für das neue parteiliche Grundsatzprogramm vorgelegt, welches im Herbst 2020 förmlich beschlossen werden soll. Laut dem Web-Vorstellungstext des Programms (*2) formuliert der Programmentwurf für die Partei „grundsätzliche Leitlinien für die nächsten Jahrzehnte“ . Unter dem Themenfeld „Rechtsstaat und Sicherheit“ findet sich in Paragraph 248 (Bl. 39 des Grundsatzprogrammentwurfs) auch ein Passus zum Waffenrecht. Darin heißt es: Die öffentliche Sicherheit und den Schutz vor Gewalt zu gewährleisten, gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsstaates. Jede*r hat das Recht auf ein Leben frei von Gewalt. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Dies ernst zu nehmen bedeutet, ein Ende des privaten Besitzes von tödlichen Schusswaffen mit Ausnahme von Jäger*innen und Förster*innen sowie illegalen Waffenbesitz stärker zu kontrollieren und zu ahnden. [Hervorhebungen durch den Verfasser] Obwohl das grundsätzliche Verbot von großkalibrigen Waffen in Privathaushalten schon in der Vergangenheit Gegenstand gesetzgeberischer Debatten war und sein effektiver Nutzen wie auch seine Umsetzbarkeit etwa bei der künftigen zentralen Aufbewahrung von sachverständiger Seite mehr als Risikovergrößerung denn als Sicherheitsgewinn (*3) bewertet wird, scheint dieser Klassiker ein wahrer evergreen [pun indented] zu sein. Unter der Führung von Annalena Baerbock und Robert Harbeck werben die Grünen um den starken Staat und zielen auf die Bündnisbereitschaft mit all jenen, denen das Versprechen abstrakter Sicherheit wichtiger ist, als einzelne Freiheiten vermeintlicher Randgruppen. Ob Sportschützen, Waffensammler, Waffenerben, Personenschützer, Büchsenmacher, Schiessstandbetreiber und der eine oder andere Jurist diese Zielsetzung und ihre dogmatische lockere Herleitung so mit unterschreiben werden, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass Menschen, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg Waffen legal und ordnungsgemäß besessen haben, wenig erfreut sind, so durch einen gesetzgeberischen Handstreich kriminalisiert zu werden. In Paragraph 245 des Programmentwurfs heißt es dazu übrigens vollmundig Der Rechtsstaat schützt die Grund- und Abwehrrechte des oder der Einzelnen gegenüber staatlichen Eingriffen und exekutivem Handeln. Ob letztendlich erst dieses Ideal den neuaufgelegten Verbots-Begehrlichkeiten entgegengehalten werden muss, bleibt abzuwarten… Fußnoten: (*1) Abrufbar unter: https://cms.gruene.de/uploads/documents/202006_B90Gruene_Grundsatzprogramm_Entwurf.pdf (*2) https://www.gruene.de/artikel/veraenderung-schafft-halt-der-entwurf-zum-neuen-grundsatzprogramm (*3) https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2012/38825769_kw21_pa_inneres-208450
von Gregor Hugenroth 12. Juni 2020
Der Deutsche Jagdverband e.V. hat ein kompaktes und interesantes Papier zur Novelle des Waffenrechts veröffentlicht. Der Frage-Anwortbogen ist hier verlinkt.
Share by: